Mobbing an der Schule. Was ist zu tun?

Ein gesellschaftliches Problem.

MOBBING ist ein verbreitetes gesellschaftliches Problem. Es trifft nicht nur Kinder, sondern auch Erwachsene und davon nicht gerade wenige.

Die körperlichen und psychischen Folgen wie Bauchschmerzen, Wutausbrüche, Frustration, Überforderung, Einsamkeit, Essstörungen, Schlafstörungen, Alpträume, Traurigkeit bis hin zu Depression, Schulverweigerung usw. sind “nur“ Symptome.
Ich lade Sie ein, eine neue Perspektive anzunehmen und dabei an die Ursache, statt an die Symptome zu gehen. Was liegt hier zugrunde?

Oft gibt es keinen Klassenverbund. Und sicherlich machen die Täter das nicht mit Absicht. Sie merken gar nicht, was sie da anstellen. All das passiert auf einer unbewussten Ebene, weil die Mobbenden etwas, das sie in ihrem Inneren vermissen, auf diese Art und Weise zu bekommen versuchen. Meistens handelt es sich um Bedürfnisse nach Aufmerksamkeit. Häufig leiden die Opfer selbst unter einem schwachen Selbstwertgefühl oder verspüren einen hohen Leistungsdruck.

Unser System sucht immer nach einem Schuldigen. Das ist der einfache Weg.
Meiner Erfahrung nach gibt es meist viele Verantwortliche, aber keinen Schuldigen.

Es gibt in jeder Klasse mindestens ein Kind, das meint, unter Mobbing zu leiden. Es findet sich in den meisten Gruppen ein Kind, das ausgegrenzt wird. Kinder können fies zueinander sein – das ist nichts Neues. Das war schon immer so, oder haben Sie in Ihrer Kindheit andere Erfahrungen gemacht? Nur: Was hat sich heute im Vergleich zu vor 30 Jahren geändert?

Die Kinder lernen nicht mehr miteinander zu kommunizieren und Verantwortung zu übernehmen.

Schon im Kindergarten oder in der Grundschule können wir den Kindern durch das Erlernen von Empathie, Impathie, Respekt und allgemein von Werten ein Gefühl von Gemeinschaft vermitteln. Unsere Gesellschaft ist gut im Diagnosestellen und Medikamente-Verschreiben, also das typische Schubladen-Denken, anstatt an Prävention zu denken und vorbeugend zu handeln.

Sobald ein Kind nicht in die gesellschaftlichen Normen passt, wird es zum Psychologen geschickt, getestet und oft ruhiggestellt oder therapiert. Aber viele dieser Kinder sind gar nicht krank. Ihnen fehlen oft „nur“ Aufmerksamkeit, Anerkennung, Liebe, Zuneigung, Selbstwert und Selbstvertrauen und sie erleben oft schon in jungen Jahren zu viel Stress, Druck, Medienkonsum und zu wenig Bewegung.

Also ein Teufelskreis, der nicht aufhört…

Und irgendwann müssen die Kinder ihre Frustrationen abbauen.
In meiner Karriere als Coach habe ich oft die Erfahrung gemacht, dass ein Schulwechsel nur eine Flucht war und früher oder später ähnliche Gruppendynamiken wieder auftraten oder die Kinder die Folgen des Mobbings immer noch spürten, auch später als Erwachsene. Das ist für mich nachvollziehbar, denn durch das Mobbing-Erlebnis entstehen Ängste und Unsicherheiten und daraus wiederum emotionale Blockaden. Sie wirken wie ein Trauma und werden in unserem limbischen System, dem Zentrum der Affekte, gespeichert. Sie konditionieren das Verhalten des Opfers und können zu instinktiven und kulturspezifischen Verhaltensweisen und Übersensibilität führen. Das kann unter Umständen ein lebenslanges emotionales Problem verursachen.

Ein Kind etwa, das sich in größeren Gruppen Gleichaltriger sehr leicht bedrängt fühlt und deshalb in der Schule gehänselt wird, hält sich vermutlich bald für ein unliebsames Wesen und zieht sich noch mehr zurück. Da liegt es nahe, dass während des Heranwachsens schleichend ein Teufelskreis entsteht: er/sie hat als Teenager kaum noch soziale Kontakte, traut sich nichts zu, leistet entsprechend wenig und versagt leicht – schließlich entwickeln sich daraus psychische Störungen.

Wir alle tragen hierfür Verantwortung.

Wir haben verlernt zu kommunizieren. Ich habe mich auf Kommunikation mit dem Schwerpunkt „emotionale und soziale Kompetenzvermittlung“ spezialisiert, weil ich in diesem Bereich ein großes Defizit in unserer Gesellschaft festgestellt habe. Damit meine ich sowohl in Familien als auch in Schulen und Unternehmen: wir beschäftigen uns mit Konflikten und suchen nach Kompromissen, die oft nicht zielführend sind. Wir benötigen eher Konsens.

Ich empfehle jeder Familie, dessen Kind Mobbingerfahrungen gemacht hat, sich einen kompetenten Begleiter zu suchen, damit die Blockade bzw. der Trigger gelöst werden kann und dem Kind ressourcenorientiert geholfen wird sich mental zu stärken.

Hiermit komme ich zu meiner Schlussfolgerung, dass eines der besten Gegenmittel gegen schwere Formen von negativen Verhaltensweisen häufiges Glücksempfinden ist.

Ich finde Trainings gegen Mobbing als Prävention grundsätzlich gut und wichtig, aber ich bin der Meinung, dass wir nicht darum herumkommen unseren Kindern schon im Kindergarten und in der Grundschule das Schulfach „Glück: Lernziel Wohlbefinden“ zu unterrichten.

Ich durfte das Schulfach „Glück“ an einer Werkrealschule in Sasbach ein Jahr lang unterrichten und die Ergebnisse waren beeindruckend:

Es war eine 5. Klasse.
Sie haben unter anderem gelernt, über sich selbst, über ihre Stärken und Schwächen und ihre Ängste zu sprechen. Sie haben gelernt, welche Werte ihnen wichtig sind und dass jeder Mensch einen schlechten Tag haben kann. Sie sind als Klassenverband gewachsen und haben sich gegenseitig unterstützt. Sie wussten über Probleme zu sprechen und gemeinsam Lösungen zu finden. Sie haben sich Ziele gesetzt und selbst Themen, die ihnen wichtig waren, erforscht und in der Klasse präsentiert.

Es war für mich eine der schönsten Erfahrungen, die ich bisher machen durfte.
In dieser Klasse gab es keinen Grund für Mobbing. Die Kinder haben gelernt, trotz Konflikt zusammenzuhalten und Verantwortung für sich und füreinander zu tragen.

Wir, als Gesellschaft, haben die Wahl: Mobbing bekämpfen und damit weiterhin nur das Symptom zu behandeln oder wirklich an die Ursache zu gehen und starke, glückliche Kinder großzuziehen.